Nachlese "2. ITB Hospitality Day": Bonitätsfaktoren für die Hotellerie
Berlin (30.3.2007). Werner Pauen, ein Experte auf dem Gebiet für Hotel- und Beteiligungsfinanzierungen, hat Bonitätsfaktoren von Tourismus- und Hotelunternehmen analysiert. Der frühere Finanzchef der Hotelgruppen Accor und Dorint erläuterte beim 2. "ITB Hospitality Day" ein Diagnose-Instrument, das Tourismus- und Hotelunternehmen wie auch Finanzierungspartnern mehr Transparenz und Sicherheit geben soll. Ein Interview und seine Präsentation zum Download.
Herr Pauen, Sie haben beim ITB-Hotelkongress vor drei Wochen einen Vortrag gehalten, der Bewertungsfragen der Unternehmensbonität analysiert. Was bewegt Sie als Geschäftsführer eines Immobilien- und Finanzierungsunternehmens (Dr. Peters in Dortmund) heute dazu, dieses Thema aufzugreifen?
Werner Pauen |
Werner Pauen: Dieses Thema hat mich seit meiner klassischen Hotel-Zeit beschäftigt und ist letztendlich übertragbar auf alle anderen Branchen. Es geht darum, die Trefferquote bei Bonitätsaussagen zu steigern.
Weshalb ist die Bonitätsbewertung so wichtig?
Pauen: Sie beeinflusst ganz klar die Entscheidung bei der Genehmigung von (Kredit-)Finanzierung! Die Zahl der Insolvenzen im Gastgewerbe bewegt sich seit 2003 auf hohem Niveau; das zeigen Statistiken vom Bundesamt für Statistik eindeutig. Unternehmen, die also die Einflussfaktoren auf ihre Bonität nicht kennen, können diese nicht korrigieren und deshalb früher oder später Teil dieser Sterbe-Statistik werden.
Welche Faktoren beeinflussen denn die Bonität einer Hotelgruppe?
Pauen: Ich habe dafür in dem von mir beschriebenen Geschäftsmodell-Ansatz sechs grosse Teilbereiche gebildet, die letztlich alle ineinander übergreifen: Organisation, Wachstum, Performance, Umsatz, Kommunikation und Kooperation. In meiner Präsentation habe ich sie als "Konzepte" bezeichnet.
Der Teilbereich Wachstumskonzept lässt sich beispielsweise operationalisieren durch die Bestandteile Expansionstempo, Konjunkturindikatoren wie Hotelmarkt, Finanzierungs- oder Betreiberformen. Beim Leistungskonzept hinterfragt man, welche Leistungen die Gäste primär wünschen (nur Übernachtung oder Komfort). Daran schliesst sich die Frage, wie das Hotel auf das Leistungsprodukt reagiert. Ein anderes Element ist der Teilbereich Ertrag. Es stellt auf Preis und Qualitätsmerkmale ab. Wie kann man das steigern. Da spielt dann wieder die Kundenzufriedenheit hinein.
Bedeutet das, dass alle Teilbereiche sich gegenseitig beeinflussen?
Pauen: Ja, jeder Bereich hat einzeln Einfluss auf die Bonität, aber auch in Kombination mit allen anderen. All das lässt sich mit dem Geschäftsmodell-Ansatz aufzeigen, und zwar in zwei Arten: a) Was sind die Bestandteile des Modells, b) Welche diese Faktoren haben in einem bestimmten Zeitraum Einfluss auf die Bonität eines Unternehmens? Das kann vor 40 Jahren anders gewesen sein - ich habe die Faktoren der letzten 10 Jahre dargestellt.
In Ihrem Vortrag sprachen Sie davon, dass das Ganze auf einem komplizierten Rechenmodell basiert. Wie sieht dieses aus?
Pauen: Einfach gesprochen ermittelt dieser Ansatz die Art und die Stärke der Einflussfaktoren auf die Bonität auf der Basis funktioneller Zusammenhänge. So lassen sich z.B. die Einflüsse der Hotelmarkt-Konjunktur (ausgedrückt durch die Anzahl der Übernachtungen), des Wachstumstempos (Anzahl neuer Hotels per anno) oder der Kundenzufriedenheit auf die Unternehmensbonität darstellen. Die Bonitätsindikatoren sind wiederum Spiegelbild der Elemente aus G&V und Bilanz.
Sie haben schwerpunktmässig das Wachstumskonzept analysiert. Warum?
Pauen: Weil vermutet wurde, das Wachstum einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg und die Bonität hat. Klar war schon immer, dass dieser Einfluss existiert, ungeklärt ist aber beispielsweise die Frage, mit welchen Vorzeichen (positiv oder negativ) oder wie stark dieses Wachstum sein darf. Soll eine Hotelgruppe jetzt mit zwei oder 20 Häusern pro Jahr expandieren? Klar scheint zu sein, dass eine sehr expansive Vorgehensweise in der deutschen Kettenhotellerie einen negativen Einfluss auf die Bonität ausgeübt hat. Eine andere Teilerkenntnis ist, dass für die Bonität beispielsweise die Kundenzufriedenheit wichtiger ist als die Höhe des Ausgangskapitals, d.h. die Ausgangsbonität zu Beginn eines Untersuchungszeitraums.
Wer kann mit diesem Geschäftsmodell-Ansatz arbeiten?
Pauen: Es ist kein Anwendungstool, das man aus der Schublade ziehen kann und in das man nur ein paar eigene Zahlen eingeben muss. Es ist ein wissenschaftlicher Ansatz, der Finanzierungsinstituten oder Hotel- und anderen Unternehmen hilft, ihre eigenen Bewertungskriterien zu hinterfragen und mehr Transparenz zu bekommen.
Das Gespräch führte Maria Pütz-Willems.
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